Aus ökumenischer Sicht hüpft das Fest der Verklärung zwischen mehreren Terminen im Kirchenjahr hin und her. Auf diese Weise ist es ein weiterer Beleg dafür, das Kirchenjahr nicht so sehr wie einen geschlossenen Kreis zu verstehen, sondern wie eine Spirale. In dieser Bewegung sah die belgische Tänzerin und Choreographin Anne Teresa De Keersmeaker eine „Figur des Lebens“: „Ihr dreht euch, ihr verändert euch, und dann findet ihr euch an der gleichen Stelle wieder wie zuvor, aber nicht ganz auf demselben Platz.“[1] Es ist dies Element des kleinen Unterschiedes, der kleinen Lücke, der kleinen Verschiebung, das dem Fest der Verklärung seine diskrete Dynamik verleiht.
Das Fest der Verklärung Christi ist ein kleines Fest. Man könnte es minderheitlich nennen. Das kommt schon in den evangelischen Erzählungen von der Verklärung Christi darin zum Ausdruck, dass man ihrer ansichtig, nicht einmal Hütten bauen kann. Der verklärte Christus selbst schließt dies Ansinnen aus und verweist auf einen eher verschwiegenen Umgang mit dieser Erfahrung.
Die beschriebene Erfahrung ist eine Lichterfahrung. Sie hat aber weniger mit dem zu tun, was wir mit dem Begriff der Aufklärung verbinden. Ihr wohnt eine Tendenz zur Durchleuchtung und „Verlichtung“[2] inne, deren Gefährdungen wir heute deutlicher denn je ausgesetzt sind.
Zumal sich in ihrem Zuge, die Beleuchtungsverhältnisse in unserer Welt deutlich verändert haben. Der französische Philosoph und Kunsthistoriker Georges Didi-Huberman hat darauf hingewiesen, dass sich die Lichtverhältnisse, wie sie noch in Dantes Göttlicher Komödie beschrieben wurden, umgekehrt haben. Heute strahlt nicht mehr das Paradies am hellsten, sondern die Beleuchtungen der Werbeindustrie und die Flackscheinwerfer in Kriegen. Die trügerischen Ratgeber, die bei Dante wie Glühwürmchen im achten Kreis der Hölle, dem politischen Bezirk, schmorten, präsentieren sich heute ohne Scham in grellem Licht. So wurden für Didi-Huberman auf den Spuren des italienischen Dichters und Filmregisseurs Pier Paolo Pasolini die kleinen Lichter der Glühwürmchen zu Hoffnungszeichen unserer Zeit. Im Unterschied zum großen Leuchten von Herrschaft und Herrlichkeit nennt er das kleine Licht der Glühwürmchen klein oder minder (mineur)[3], anders übersetzt: minderheitlich. Es ist eher ein flüchtiges Schimmern als ein strahlendes Leuchten.
Eine solche Deutung des Lichtes der Verklärung Christi stellt für die christlichen Kirchen eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Sie können sich nicht mehr auf ein jenseits des Wunders beziehen, in der ihre Herrschaft und Herrlichkeit offenbar geworden sein wird. Im Gegenteil, sie müssen es lernen, diesseits des Wunders minderheitlich zu werden. Biblisch gesprochen heißt das, auf den Hüttenbau zu verzichten; von Palästen und hochsicherheitsgeschützten Verwaltungsgebäuden gar nicht zu sprechen.
Abseits institutioneller Beschönigung wird man die Herrschaftsgeschichte der Kirchen minorisierend zu deuten lernen müssen.[4] Dies wird nicht nur aus historischen Gründen nötig sein. Die derzeitige Glaubwürdigkeitskrise lässt nicht durch beleidigtes Fortführen bürgerlich moralisierenden Repräsentationsgehabes beheben.
Um ihrer Glaubwürdigkeitskrise entgegenzutreten werden sich die christlichen Kirchen eine fröhliche Beweglichkeit im Denken und Handeln erarbeiten müssen, die zu weiten Teilen als ein Rückzug aus dem hellen Licht der öffentlichen Wichtigkeit erscheinen wird. Um seine Kraft zu entfalten, darf ein solcher Rückzug sich allerding nicht im Selbstbezug erschöpfen. Untrügliches Merkmal dieser zu entdeckenden rückzüglichen Bewegungsform wird in seiner „Fähigkeit, immer wieder ein Stück Menschlichkeit in Erscheinung treten zu lassen“[5] bestehen.
Denn die vorgeschlagene Deutung des Lichtes der Verklärung stellt zugleich eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für das Leben der Einzelnen dar. Sie besteht vor allem darin, erfahrenen und empfundenen Schmerz in lebendige und schöpferische Energie umzuwandeln. Diese Verwandlung lässt sich als minderheitliche Figur der großen Feste um Kreuz und Auferstehung deuten. Sie lässt sich aber auch als allgemein menschliche, also „nichtreligiöse“ Verwandlung verstehen.
Um bei Georges Didi-Hubermans Bild zu bleiben, „müssten [wir] also – Im Rückzug von Herrschaft und Herrlichkeit, in der Lücke zwischen Vergangenheit und Zukunft – selbst zu Glühwürmchen werden und dadurch von neuem eine Gemeinschaft bilden, eine Gemeinschaft des Begehrens, der gegenseitig zugesandten Schimmer, des Tanzes trotz allem, der Weitergabe des Denkens. Es gilt also, in der von Schimmern durchzogenen Nacht von neuem Ja zu sagen und uns nicht damit zu begnügen, das Nein des uns blendenden Lichts zu beschreiben“[6].