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Trinitatis

Exkursion: Trinitatis

Exkursionen

Exkursionen sind Spaziergänge fürs Gehirn. Es geht darum, in den gewohnten Denkbahnen Differenzen zu erzeugen und Platz zu schaffen. Dazu braucht es Bewegung, von Hauptsachen zu Nebensachen, von der Peripherie ins Zentrum und umgekehrt. Hier sind Impulse jeweils um ein Fest des Kirchenjahres gruppiert.

Denken:

Singulär-plural-sein: in einem Strich, ohne Interpunktion, ohne Gleichheitszeichen, ohne Zeichen der Implikation oder der Abfolge. Nur ein kontinuierlich-diskontinuierlich gezogener Strich, der das Zusammen des ontologischen Bereichs, das als das „Mit“ des Seins, des Singulären und des Pluralen bezeichnete Mit-sich-selbst-sein, skizziert und der Ontologie auf einen Schlag nicht nur eine andere Bedeutung, sondern eine andere Syntax auferlegt: Der „Sinn des Seins“ nicht nur als „Sinn des Mit“, sondern auch und vor allem als „Mit“ des Sinns. Denn keiner dieser drei Termini ist dem anderen vorgängig, noch begründet er die anderen, und jeder bezeichnet das Mit-Wesen der anderen. Das Mit-Wesen setzt das Wesen selbst in den Strich – „singulär plural sein“ –  in einen Bindestrich, der ebenso ein Trennungsstrich ist, ein Strich der Verteilung, der sich also verliert und jeden Terminus seiner Isoliertheit und seinem Mit-den-anderen-sein überlässt.

(Jean-Luc Nancy, singulär plural sein, Berlin 2004, S. 68)

Denken:

Die drei Engel sind in Ruhe… aber diese Ruhe macht „trunken“…

Eine Bewegung beginnt am linken Fuß des rechten Engels, setzt sich in der Neigung seines Kopfes fort, geht auf den mittleren Engel über, nimmt den Kosmos mit sich: den Fels und den Baum – und löst sich in die vertikale Position des linken Engels auf; in ihm kommt sie zur Ruhe… Neben dieser zirkulären Bewegung… bezeichnen die Vertikalen des Tempels und der Zepter die vertikalen Kraftlinien, zwischen Himmel und Erde.

(Auszug aus: Paul Evdokimov, L’Art de l’Icône, Paris 1972, S. 207-209)

Sehen:

Schreiben

Sanctus, sanctus, sanctus dominus,

pleni sunt coeli et terra

gloria tua.

Denken:

– …Aber was wird man in einem solchen Schauspiel letztlich schon sehen?

– Ich glaube, du stellst nicht die richtige Frage. Man müsste sich anders fragen:

Was brächte ein solches Schauspiel dazu, unsere innerste Fähigkeit zu sehen

zu hinterfragen? (Georges Didi-Huberman, Phasmes, Köln 2001, S. 72)