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Himmelfahrt

Exkursion: Himmelfahrt

Exkursionen

Exkursionen sind Spaziergänge fürs Gehirn. Es geht darum, in den gewohnten Denkbahnen Differenzen zu erzeugen und Platz zu schaffen. Dazu braucht es Bewegung, von Hauptsachen zu Nebensachen, von der Peripherie ins Zentrum und umgekehrt. Hier sind Impulse jeweils um ein Fest des Kirchenjahres gruppiert.

Schreiben:

Et ascendit in coelum, sedet ad dexteram Patris.

Et iterum venturus est cum gloria…

Lautlesen:

Und da er solches gesagt, ward er aufgehoben zusehends, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg.
Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Kleidern, welche auch sagten: Ihr Männer von Galiläa, was stehet ihr und sehet gen Himmel ? Dieser Jesus, welcher von euch ist aufgenommen gen Himmel, wird kommen, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren. (Apg 1, 9-11)

Denken:

Mit Recht wird der Herr Vogel genannt, weil ein fleischlicher Leib zur Himmelshöhe schwebte. (Gregor der Große)

Denken:

Vermutlich gibt es keinen Glauben ohne das Verschwinden eines Körpers. Und man könnte eine Religion, wie beispielsweise das Christentum, als eine immense kollektive Arbeit begreifen, die auf Dauerhaftigkeit, auf Wiederholung, auf ihre permanente obsessive Selbsterzeugung angelegt ist: auf die immense symbolische Bewältigung  dieses Verschwindens.

So hört Christus niemals auf, sich zu manifestieren, zu verschwinden und schließlich sein Verschwinden selbst zu manifestieren. Fortwährend öffnet er sich und verschließt sich wieder. Fortwährend kommt er uns zum Greifen nahe und zieht sich wieder zurück bis ans Ende der Welt.

Beispielsweise wenn er in seinem demütigen Tod und seinem Begräbnis entschwindet, aber bald darauf in seiner glorreichen Auferstehung zurückerscheint. Seine Auferstehung bedeutet zugleich aber auch, in einer dialektischen Wendung, dass mit ihr die Zeit eines erneuten Verschwindens beginnt, die nun aber durch den Glauben ausgezeichnet ist: die menschliche Zeit, die Zeit der Gemeinschaft und der Liturgie, in der seine Abwesenheit zum Warten auf seine Wiederkehr, auf seine „ewige Herrschaft“ wird.

(Georges Didi-Huberman, Phasmes, Köln 2001, S. 211)