Als ich im November 2021 begann, mich für meinen Blog näher mit den Festen des Kirchenjahres zu befassen, wollte ich versuchen, an die Schätze liturgischer, homiletischer und auch denkerischer Vollzüge heran zu kommen, die sich im Laufe der Zeit im Kirchenjahr abgelagert haben. Zugleich wollte ich versuchen, diese Schätze für heute zu lesen, sie mit heutigen Vollzügen und Themen in Verbindung zu bringen, ja manchmal zu konfrontieren.

Das hat zu Beiträgen zu 17 Festen geführt. Drei davon haben zwei Einträge, was seinen Grund darin hat, dass mir der erste Eintrag so konkretisiert erschien, dass ein weiterer hinzukommen sollte, um das Feld dieses Festes nicht zu sehr einzugrenzen. Ich habe sie hier mit den Daten ihrer Veröffentlichung aufgelistete, so dass Interessierte Leserinnen und Leser sie bei Bedarf zur Anregung leichter ausfindig machen können.

Advent (11/21, 9/22), Weihnachten (12/21, 12/22), Epiphanias (12/22), Mariae Verkündigung (3/23), Passion (2/22), Palmsonntag (3/23), Gründonnerstag (3/23), Karfreitag (3/22), Ostern (3/22, 3/23), Himmelfahrt (4/22), Pfingsten (5/22), Trinitatis (5/22), Johanni (6/23), Mariae Heimsuchung (6/23), Verklärung (7/23), Michaelis (9/23), Ewigkeit (8/22),

In all diesen Beiträgen ging es mir vor allem darum, so etwas wie eine Praxis dieser Feste freizulegen. Ich wolle Reflexionsräume eröffnen, in denen oder aus denen heraus es möglich werden könnte, konkret liturgisch, manchmal auch homiletisch, etwas zu machen. Ich habe versucht, performativ zu denken und zu umreißen, was in diesem Sinne Liturgie eigentlich ist, bzw. jenseits ihrer historischen Betrachtung heute sein, oder besser: werden könnte.

Letzteres kommt insbesondere in 6 liturgisch-homiletische Reflexionen in der sogenannten Nach-Trinitatis-Zeit 2022 zu Ausdruck.

Im Laufe der Zeit ist mir aufgefallen, dass das Kirchenjahr oder der Jahreskreis, wie man auch sagt, nicht nur als geschlossener Kreis zu betrachten ist. Er hat mehrere Anfänge und Enden. Es gibt mehrere Bewegungsformen. Sie überlagern sich. Es gibt Querverbindungen, die vorwärts und rückwärts verlaufen. Genauer betrachtet, ist der Kreis des Kirchenjahres eher eine Spirale, das bedeutet mehr Differenz als nur Wiederholung.

Es gibt eine Zeit im Kirchenjahr, die die liturgische Mühsal der Ebene so stark zum Ausdruck bringt, dass sie sich im Abzählen der Sonntage erschöpft. Es hat den Anschein, als dass die Praxis christlichen Lebens hier geradewegs in ihren Verwaltungsapparat und seine Selbstrepräsentation überführt würde. Wird Liturgie aber als Tun oder Vollzug verstanden, ist dies eine Sackgasse. In ihr verkümmert Praxis. Oder sie nimmt still und leise Reißaus. 

Dann bleibt nichts weiter, als sie zu suchen. Was machte man da früher? Wo findet heute ähnliches statt? Wie können Verbindungen hergestellt werden? Wie könnte man etwas mit Vielen aber auch mit Wenigen machen? Was ist unbedingt notwendig, was nicht mehr? Wie kann etwas zum Ausdruck gebracht werden, einfach, ohne Erklärungen? Was kann man wieder lernen? Derartige Fragen öffnen Felder des Ausprobierens, des Entwickelns und auch des Verwerfens. Und ich vermute, dass sich dabei mehr und mehr herausstellen wird, dass das, was man Glauben nennt viel mehr mit dem zu tun hat, was man tut, also lebt, als mit dem, wovon man eine Überzeugung hat.

Allerdings geht es dabei um werkloses Tun, das sich verschenkt und das man nicht ansehen kann als ein Verdienst oder Eigentum.

Werklose Tätigkeiten wie sie in Tun-Worten, also Verben, ausgedrückt werden, bilden die Grundlagen der kleinen grafischen Arbeiten des Wittenberger Grafikers Christian Melms. Sie begleiten die Einträge. Die lateinischen Verben stammen für das erste Jahr des Zyklus aus dem alten, Nizäno-Konstantinopolitanum genannten Glaubensbekenntnis, im zweiten Jahr aus dem Magnifikat genannten Lobgesang der Maria im Lukasevangelium. Die Zuordnung der Wortgrafiken zu den Beiträgen ist zufällig in dem Sinn, dass die Kombination der Reihenfolge des schlichten Erscheinens der Verben in den Texten folgt. Verbindungen zwischen Text und Bild entstehen also nur mit etwas Glück.

Ich hoffe, dass die in diesem Blogzyklus erarbeiteten Beiträge anregend dabei sein können, liturgische Praxis weiter und zugleich wieder zu entwickeln. Darin besteht die vielleicht wichtigste Erfindungsaufgabe einer minderheitlich werdenden Kirche. Sie lässt sich charakterisieren als ein „wahrheitsgetreues Erfinden“[1] und verspricht, etwas Jubilierendes an sich zu haben, aber auch etwas Weinendes und Stilles.